Hallo liebe Polizei, hallo liebe Politiker,

am 1.11. kamen in Berlin gut 250 Fanvertreter von  49 Profi- und Amateurvereinen im VIP-Zelt des 1. FC Union Berlin zusammen. Es wurde sachlich und selbstkritisch diskutiert. Allerdings zeigte die Reaktion des Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Herrn Witthaut , als auch die Aussage von Hannover 96-Präsident Martin Kind, dass weiterhin pauschalisiert wird.

“Wir werden noch eine klare Ansage machen. Wenn es dann erneut Probleme gibt, muss man aber überlegen, die Gespräche zumindest temporär zu unterbrechen.“ Martin Kind, Präsident von Hannover 96, gegenüber dem FOCUS

Herr Witthaut beklagte, nicht eingeladen worden zu sein. Herr Kind will offentsichtlich nicht differenzieren und will den Fans am liebsten nur noch eine Chance geben. Vertreter von DFB und DFL schienen den Wink mit dem Zaunpfahl aber verstanden zu haben und stellten sich der Diskussion. Inhaltlich müssen natürlich weitere Diskussionen geführt werden, aber die Herrschaften aus Frankfurt sind immerhin irgendwo und irgendwie dialogbereit. Aber was ist mit Ihnen liebe Polizisten und Politiker?

Elegant werden sachliche Polizeiprotokolle oder nachvollziehbare Augenzeugenberichte links liegen gelassen. Noch auf dem Fangipfel erfolgte mehrfach der Appell der Fans an die Medien die Berichterstattung zu versachlichen. Statt mit gutem Beispiel voranzugehen werden nun wieder Stammtischfloskeln ausgepackt.

Die überwiegende Mehrheit der Fans fühlt sich im Stadion sicher (siehe auch www.ich-fuehl-mich-sicher.de). Die überwiegende Mehrheit will ebenfalls nichts mit Gewalt und Kriminalisierung zu tun haben. Sogenannte „Störer“ sind allen ein Dorn im Auge. Aber diese findet man meistens vor und nicht im Stadion…

Ich kann Sie daher nur nochmals auf die Abschlusserklärung des Fangipfels hinweisen und  dazu auffordern sich dem sachlichen Dialog zu stellen und Ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Abschlusserklärung des Fan-Gipfels in Berlin vom 01. November 2012

 Sicheres Stadionerlebnis

Deutschlands Fußballstadien genügen höchsten Sicherheitsstandards. Eine Beeinträchtigung des Stadionerlebnisses z.B. durch unzumutbare Personenkontrollen und eine nachhaltige Beschädigung traditioneller Fußballkultur in den Stadien etwa durch die Abschaffung von Stehplätzen ist sachlich nicht begründet und wird daher abgelehnt. Verantwortlich für die Sicherheit in ihren Stadien sind die Vereine. Sie müssen deshalb von den Verbänden den nötigen Spielraum bekommen, lokal wirksame, den individuellen Gegebenheiten entsprechende Sicherheitskonzepte zu entwickeln und umzusetzen.

Fans, Vereine und Verbände bilden Solidargemeinschaft Fußball

Fußball lebt von den Vereinen, die ihn betreiben, von den Verbänden, die ihn organisieren und vermarkten und den Fans, die ihn lieben und zu einem emotionalen Kulturgut machen. Alle Akteure, insbesondere jedoch der DFB als größter Sportverband Deutschlands und der Ligaverband als Vertretung der beiden umsatzstärksten Fußballligen Deutschlands, sind aufgefordert, ungerechtfertigten Angriffen inhaltlich fundiert entgegenzutreten und unberechtigte Forderungen deutlich und öffentlich wirksam zurückzuweisen. Der Fan-Gipfel fordert beide Verbände auf, das behauptete Gewaltproblem im deutschen Fußball schnellstmöglich unabhängig und differenziert untersuchen zu lassen, um die auch medial hitzig geführte Debatte zu versachlichen. Darüber hinaus muss eingeleiteten Maßnahmen (z.B. 10-Punkte-Plan, AG Fanbelange beim DFB) Zeit zur Entfaltung ihrer Wirkung gegeben werden, anstatt sie durch ständig neue Konzepte („Sicheres Stadionerlebnis“) selbst zu unterlaufen.

Gewaltfreiheit

Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung im Zusammenhang mit Fußballspielen lehnt der Fan-Gipfel selbstverständlich sowohl innerhalb als auch außerhalb von Fußballstadien strikt ab. Der Fan-Gipfel ruft alle Beteiligten dazu auf, gewalttätige Auseinandersetzungen zu vermeiden und Straftaten entgegenzuwirken. Wer nachweislich gegen geltendes Recht verstößt, ist nach geltendem Recht zu sanktionieren. Der Fußball braucht kein Parallelstrafrecht und keine Kollektivstrafen.

 Dialog beginnt im Verein

DFB und Ligaverband agieren im Auftrag ihrer Mitglieder: der Vereine. Die Berücksichtigung von Faninteressen und die lokale Lösung von Problemen ist deshalb zuerst Aufgabe der Vereine. Der Fan-Gipfel ruft Deutschlands Fußballfans dazu auf, sich für einen Dialog auf Augenhöhe in ihren Vereinen zu engagieren, die Vertretung ihrer Interessen dort strukturell zu verankern und aktiv wahrzunehmen. Der Fan-Gipfel fordert die Vereine auf, den Dialog mit ihren Fans wahrzunehmen und sie in Entscheidungen einzubeziehen, ihre präventive Arbeit zu verstärken und mehr Mittel für die Fanbetreuung zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig geht auch hier ein Appell an Polizei, Fans und Politik, die Verantwortung zum Dialog anzunehmen und nicht vermeintliche Solidarität/Corpsgeist über Recht, Verein bzw. Vernunft zu stellen.

Verbände in der Verantwortung für das Kulturgut Fußball

Der DFB und der Ligaverband tragen Verantwortung für den Erhalt des Fußballs als Massenkultur. Sie werden aufgefordert, ihre Mitgliedsvereine zur Berücksichtigung der Faninteressen anzuhalten. Der Fan-Gipfel fordert DFB und Ligaverband auf, die Aufnahme von Fanvertretern in ihre Gremien satzungstechnisch zu ermöglichen und umzusetzen. Die Verbände werden aufgerufen, mehr Mittel für präventive Fanarbeit zur Verfügung zu stellen. Erhöhung statt Umverteilung der Mittel kann die Möglichkeiten präventiver Arbeit erheblich verbessern.

 Pyrotechnik

Bezüglich der Legalisierung von Pyrotechnik besteht weiterhin erheblicher Diskussionsbedarf, da eine einheitliche Position zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar ist. Der Abbruch der Gespräche zu diesem Thema von Seiten der Verbände stellt einen entscheidenden Wendepunkt im Verhältnis zu den Fans dar. Es darf im Dialog zwischen Verbänden, Vereinen und Fans keine Tabus geben, das gilt auch für Pyrotechnik.

 Abschließend richtet sich der Fan-Gipfel mit einem Appell an die Politik:

Vereine und Fans dürfen nicht für den Wahlkampf missbraucht werden. Fußball begeistert Millionen Menschen in Deutschland, er sorgt für Identifikation, soziale Strukturen und nicht zuletzt für Arbeitsplätze und erhebliche Steuereinnahmen und er genießt höchste öffentliche Aufmerksamkeit. Der Fan-Gipfel fordert die Vertreter der Politik – den Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder – dringend auf, den Fußball nicht zu benutzen, um von politischen Versäumnissen in anderen Bereichen abzulenken. Gleichzeitig sind die Sozialminister dringend gefordert, die ihnen zustehende Verantwortung wiederzuentdecken und wahrzunehmen.

Kürzungen in der Sozialpolitik z.B. bei öffentlichen Angeboten für Kinder und Jugendliche oder Stellenabbau im öffentlichen Dienst z.B. bei der Polizei gehen an keiner Gesellschaft wirkungslos vorbei und wurden von großen Teilen der Bevölkerung in den vergangenen Jahren relativ klaglos hingenommen. Am öffentlichkeitswirksamen Thema Fußball jetzt ein Exempel zu statuieren und den Vereinen die Lösungen höchst komplizierter sozialer Probleme abzuverlangen, ist in höchstem Maße unfair und ebenso kurzsichtig. Die aufgebaute Drohkulisse führt dazu, dass diese sozialen Probleme im Rahmen des Fußballs nicht gelöst, sondern höchstens verlagert werden. Dieses Verhalten muss im Interesse der übergroßen Mehrheit der Fußballfans, aber auch der Zivilgesellschaft, dringend abgestellt werden, um Straftaten im Umfeld des Fußballs wirksam begegnen zu können und gemeinschaftlich an der Lösung gesellschaftlicher Probleme mitzuwirken.

Wir erwarten von den Verbänden und Vereinen die Einbindung von Fans in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess. Diesen Prozessen ist die erforderliche Zeit einzuräumen, der 12. Dezember ist aus unserer Sicht nicht einzuhalten. Von den Verbänden erwarten wir ein verbindliches Angebot an die Fans, Vereine und das Organisationsbüro des Fan-Gipfels. Vereinbart wurde zudem die Organisation einer Folgeveranstaltung.


1 Kommentar

Wenn die Unpolitischen politisch werden – derFriedri.ch · 8. August 2017 um 23:54

[…] Am zweiten November 2011 kündigt der DFB aus heiterem Himmel die Gespräche mit Fanvertretern und Ultras auf. Heiß, aber sachlich wie Beteiligte berichten, ging es um die Möglichkeit Pyrotechnik im Stadion abzubrennen. Das urplötzliche Beenden der Gespräche mit dem gleichzeitigen Verweis, nun noch enger mit Polizei und Justiz zusammenzuarbeiten, schlug ein wie eine Bombe. Es folgten Monate voller hitziger Diskussionen und Pyroshows der Ultras. Das Ergebnis: Das umstrittene DFL-Konzeptpapier „Sicheres Stadionerlebnis“. Beim Fangipfel am zweiten November 2012, also ein Jahr nach dem Platzen der Gespräche, war ich selber in Berlin. […]

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