#Londonriots” ist aktuell einer der häufigsten Hashtags (»Erklärung: Was ist ein Hashtag?) weltweit und auch in den deutschen Top-5. In England knallt’s gewaltig. In London und anderen Städten verschaffen sich Menschen, zumeist Jugendliche, Gehör und Aufmerksamkeit. Ihr Kommunikationsmittel mag dabei sicherlich nicht das beste sein, aber das effektivste.

Anfangs dachte nicht nur ich, dass die Ausschreitungen aufgrund eines durch die Polizei erschossenen jungen Mannes ausgelöst worden sind. Allerdings hat wohl eher das Schweigen und Vertuschen der Polizei zum “Überlaufen des Faßes” geführt. Und genau hier möchte ich mit meinem Kommentar ansetzen:

Ich habe nämlich gerade via Facebook einen interessanten Link zum Blog von Sven Scholz  gesehen und mir seinen Blogartikel durchgelesen (das vorherige Lesen empfehle ich an dieser Stelle ;)). Zwei Kommentare, die er dort als Zitat aufführt, verdeutlichen, dass der Ursprung vieler “Riots” ein berechtigter Frust auf des System sind. Denn selbst friedliche Proteste und Demonstrationen finden kein Gehör mehr oder verlaufen ohne Konsequenzen in den Geschichtsbüchern. Hattet Ihr noch im Kopf, dass Ende März hunderttausende Menschen friedlich auf Londons Straßen unterwegs waren? Ich nicht!

Wenn ich mir nun auch die Lage in Deutschland ansehe, kann es auch bei uns zu einem Ausbruch von solcher Gewalt kommen. In Frankreich gibt es sie schon viele Jahre, jetzt auch in England. Bei nun seit mehreren Jahren anhaltender wirtschaftlicher Eskapaden und andauernder Hiobsbotschaften, ist es doch im Grund nur eine Frage der Zeit, bis sich der Unmut über die Politik und das System flächendeckend entlädt.

Gerade die in diesem Zusammenhang oft gescholtene und generell erwähnte “Jugend” ist dafür doch prädestiniert. Ich kann die Menschen gut verstehen, die die Schnauze voll haben von paranoiden und egoistischen Politikern. Politikern, die Besserung und Engagement versprechen aber im Anschluss nie wieder gesehen werden. Internetsperre, Biometrischer Personalausweis, Vorratsdatenspeicherung werden unisono gefordert – von Leuten, die gleichzeitig Demokratie, Toleranz und Dialog fordern.

Mal ehrlich: Wäre ich ein paar Jahre jünger und dazu in einer gewissen Perspektivlosigkeit (soziales Umfeld, Immigrationshintergrund,…), dann würde ich mir auch denken “Solange die das Sagen haben, bekomme ich kein Gehör. Und wenn die mal mit mir sprechen, ist es denen nach 5 Minuten bereits egal.” Und ich würde das sicherlich radikaler formulieren.

Je mehr ich drüber nachdenke, um so mehr Beispiele fallen mir selbst hier in der Region ein. Bestes Beispiel für mich ist hier unter anderem die Alemannia. Den Vorwurf der plumpen Stimmungsmache bitte mal außen vor gelassen: Werden dort nicht seit mindestens zwei Jahren viele Dinge rund um den Stadionbau und die Finanzmisere totgeschwiegen? Kein Wort zum Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) oder der jährlichen Schuldenlast, deren Reduzierung schon mehrfach kurz vor dem Abschluss stand. Fans und Mitglieder – aber auch die Gläuber (Fananleihe) – werden dumm gehalten.

Ich will damit kein weiteres Alemannia-Faß aufmachen, aber warum wundert man sich dann bitteschön, wenn friedliche, sachliche und konstruktive Kommunikation unterbunden wird, über Mittel, die auf jeden Fall für Aufmerksamkeit sorgen?

In diesem schwarz-gelben Beispiel wird sich das durch mangelnde Unterstützung auswirken. Sei es durch Geldgeber wie Sponsoren und Fans oder in der emotionalen Bindung. Ich habe aktuell keine Skrupel ein Heimspiel im Stadion zu verpassen. Habe ich doch das Gefühl nur Kunde (dazu nicht mal ernst genommen und verstanden) zu sein. Ich schaue mir das Heimspiel mit weiteren Alemanniafans an diesem Wochenende in Frankfurt an und werde mit fiebern, mit fluchen, hoffentlich mit jubeln. Hier geht es um meinen Verein und nicht um meine Existenz, wobei das emotional schon sehr nahe beieinander liegt.

Ich verstehe die Leute in England und Frankreich. Gutheißen tue ich die Gewalt nicht. Ich habe das Beispiel so gewählt, weil es am ehesten greifbar ist und belegbar. Ich würde mich nur freuen, wenn jeder ein paar Minuten genrell mal drüber nachdenken würde und nicht bei jeder Diskussion dem redegewandten und eloquenten Vertrauen schenken würde. Schaut mal hinter die Kulissen. Hinterfragt die Dinge. Und vor allem: Schweigen ist scheisse! Es ist kein Verbrechen auch mal laut zu werden! Es ist erlaubt die Wahrheit zu sagen!

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1 Kommentar

Anonym · 10. August 2011 um 12:04

Du sprichst mir aus der Seele. Wenn man sich die aktuelle Weltwirtschaft und die sogenannte “Hochfinanz” so anschaut, dann sieht meine eine verschwindend kleine “Elite”, die ohne jegliche demokratische Legitimation mit der Wirtschaftsleistung ganzer Länder Roulette um grotesk hohe Einsätze spielt. Diese Menschen sind so dermaßen abgehoben, haben so dermaßen jegliche Werte von Moral, Anstand, Angemessenheit, Verantwortung und Ethik verloren, daß es einen graust. Die Zeche zahlen im Endeffekt wir, die Leute, die ganz unten stehen, und schauen müssen wie wir über de Runden kommen.

Ich habe nichts gegen Geldverdienen. Ich verdiene gerne Geld, besonders wenn ich auf meine Arbeit stolz sein kann. Ich habe auch nichts dagegen wenn jemand eine clevere Idee hat, und diese nutzt um reich zu werden.

Wogegen ich etwas habe ist wenn die Moral dabei baden geht, wenn das Verantwortungsgefühl verloren geht. Schaue ich mir die Hochfinanz an, mit diesen Phantasieprodukten und Luftnummern, dann frage ich mich was die Investmentbanker geraucht haben, um sich das auszudenken. Wieso kann ich Aktien, die ich noch nichtmal BESITZE, zu einem festgelegten Kurs und Termin verkaufen? Was ist der allgemeine Nutzen eines solchen “Produkts”? In einer der letzten c’t Magazine war ein Artikel über hochgeschwindigkeits-Rechnerntze bei Börsen und Banken. Die Latenz solcher Netze ist um ein zigfaches geringer als es der Beste Gamer benötigt. Warum? Weil Computer in Sekundenbruchteilen Aktien und Optionen kaufen und verkaufen. Weil die mikroskopischen Kursschwankungen satte Gewinne abwerfen, wenn man mit einigen Millionen kauft und verkauft – in einem Tempo in dem nur ein Computer entscheiden kann. Wozu das Ganze? Wo ist der reale Bezug zur Produktivkraft eines Unternehmens, wenn Gewinne an der sechsten Stelle hinter dem Komma realisiert werden?

Die Politik hat ihre Gestaltungsmacht verloren. Die Geschicke eines Landes werden nicht mehr in ihren Parlamenten bestimmt, sondern in Börsen und Banken die im Extremfall auf der anderen Seite des Planeten sind. Die Politik hechelt hinterher, zu selbstverliebt mit dem eigenen Sandkasten beschäftigt, zu hilflos, zu ängstlich und – leider – zu sehr in eigenen Interessen verstrickt.

Man KANN den wildgewordenen Finanzsektor zügeln – dafür müssten aber ALLE Regierungen ALLER Staaten – zumindest aber der westlichen Staaten + Japan + Indien + Russland und + ggf. China mitziehen. Die Politik KANN einheitliche Regelungen für 2/3 des Weltwirtschaftsraums festlegen – gemeinsam. Das würde dann geschätzt 20.000 Finanzjongleure weltweit arbeitslos machen, und die Gewinne der Großbanken beschneiden. Aber es wäre möglich. Der Spuk könnte nächste Woche ein Ende haben, wenn sich die Regierungen der Wirtschaftsstaaten einig wären, und sich trauen würden zu sagen “Stop! Das reicht!”. Die Chance gab es vor 2 Jahren, aber die Regierungen waren nicht mutig genug.

Krawalle auf den Straßen sind keine Lösung. Gewalt ist keine Lösung. Eine Revolution ist keine Lösung. Es kann nur demokratisch legitimiert gehen. Aber VERSTEHEN kann ich den Unmut schon. Wenn er sich nur anders Bahn machen würde…

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