Menschen Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de

Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Es ist eine Binsenwahrheit. Es ist keineswegs immer leicht, das Richtige zu tun. Das gilt für den Einzelnen, aber auch für Kollektive, für Staaten.  In unserer Zeit ist der Begriff “Gutmensch” zu einem Schimpfwort verkommen. Die Bezeichnung wird für Menschen gebraucht, die sich in etwas verrannt haben, die Prinzipien ernst nehmen. Zu ernst. Heute ist man pragmatisch. Bestenfalls.

Neulich habe ich von einer wahren Geschichte über eine Organ-Spenderin gelesen: In den USA – ist ja auch weit entfernt von hier – hat eine junge Frau einer anderen, ihr völlig unbekannten Frau, ihre Niere gespendet. Eine Niere. Nach gelungener Operation – von Spenderin und Nutznießerin der Niere – fragte sich die nun mit Spenderniere weiterlebende Frau, wer ihr denn die lebenserhaltende Niere gespendet habe.

Das sei nicht üblich, den Namen der Spenderin preiszugeben, wurde ihr geantwortet. Die beschenkte Frau war aber neugierig geworden, wollte unbedingt wissen, was die junge Frau zu ihrer Spende bewogen hatte. Sie wollte sie einfach kennenlernen und sie fragen.

Wir brauchen Gründe für das Gute. “Gutmenschen” zu akzeptieren, fällt uns schwer. Wir können es gar nicht glauben, wir verstehen es einfach nicht, dass jemand etwas Gutes tut – ohne Grund, einfach so. Woran liegt das, frag’ wohl nicht nur ich mich. Warum erscheint uns eine gute Tat erklärungsbedürftig? Übrigens ebenso wie eine böse. Warum ist eine gute Tat für uns nichts Selbstverständliches? Was sagt das über uns, über unsere Gesellschaft aus?

Wir alle fragen nach Gründen für gutes Tun. Weil wir wir das Gegenteil für normal halten? Altruismus von lat. “alter”, der Andere, ist das Gegenteil von Egoismus von lat. “ego”, Ich. Alle Handlungen, die diesem Ich nützen, gelten uns als rational. Sie schaden uns nicht, ganz im Gegenteil: sie dienen unserem Erhalt, unserem Vorteil. Also sind sie “gut” für uns. Reflexives Denken führt uns zu dem Schluss: Alles, was gut für uns ist, heißt “nützlich”.

Alles, was gut an sich ist, ist sicherlich auch nützlich, wie die Nierenspende der jungen Frau an die Nutznießerin der Niere. Aber darin erschöpft sich das Gute an sich nicht. Offensichtlich ist dieses Gute universalisierbar, es ist etwas, was alle Menschen als “Gut” erkennen können, nicht nur Einer, nicht nur Einzelne. Alle. Aber gerade das, dieses für alle erkennbare Gute, ist für Gesellschaften, in denen der ökonomische Primat und das Gegeneinanderaufrechnen, die Oberhand gewonnen hat, keineswegs selbstverständlich.

Es wird nicht nur bestaunt, es wird diffamiert:
“Gutmensch” ist der, der nicht seinen eigenen – und nur seinen eigenen – Vorteil erstrebt. Das kann nicht rational sein. Geben, ohne zu nehmen.
Und wir fragen manchmal zornig zurück: Ist es nicht schwer genug, ein Geben und Nehmen in unserer Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen? Ein Miteinander, das auf Gegenseitigkeit beruht? Schwer genug. Zweifellos ein hoher Wert.

Do ut des, nannten das die alten Römer: Ich gebe dir, damit du mir etwas Gleiches zurückgibst. Etwas Gleichwertiges, ist natürlich gemeint.

Es kam der Tag, an dem sich die beiden frisch operierten Frauen gegenübersaßen. Beide nun mit je einer Niere. Die eine hatte eine gegeben, die andere eine empfangen. Ein Geschenk.
Warum? Die Frage stand im Raum. Warum dieser Altruismus? Die junge Frau antwortete etwas völlig Verblüffendes. Sie habe von einer Hilfsaktion gehört, es gäbe ja einen Mangel an Spendern. Man brauche sich nur in einer Liste einzutragen. Wenn eine Nachfrage für eine Lebendspende eintreffe, werde man ganz schnell benachrichtigt.
Und warum gerade ich? Die Beschenkte fragte etwas irritiert. Einfach so, antwortete die junge Frau. Ich stand gerade zu Verfügung. Ich hatte mich ja vorher dafür gemeldet.

Das Gute kann manchmal sehr banal aussehen.

Das ist es aber nicht. Es ist nicht selbstverständlich, nicht mal im Adven(ia)t. Warten wir nicht zu Weihnachten alle auf den “Gutmenschen”? Heute lassen wir ihn mit einem Weihnachtsmannkostüm auftreten. Das war vor 2000 Jahren doch ganz anders. Oder?

Dieser Text stammt von einem tollen Menschen. Er hat den Text zu Weihnachten verschickt und der Veröffentlichung zugestimmt. Der Verfasser möchte gerne anonym bleiben. 

 


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert