Foto: © Stadt Aachen

Manchmal ist es schade, dass Religion vor Europa geht. Der Kirchentag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ex-Präsident Barack Obama, der von der ARD an Christi Himmelfahrt ausgestrahlt wurde, lies die Ausstrahlung der Verleihung des Karlspreises Aachen beim WDR erblassen. Dabei war mit Timothy Garton Ash ein britischer Europäer ein würdiger Empfänger des Preises. Die Verleihung ist noch in der Mediathek» des WDR zu sehen, vor allem die sehr guten Reden können hier» nachgelesen werden.

Ich wurde zu einem leidenschaftlichen Europäer durch meine intensive, unvergessliche persönliche Erfahrung, in einem geteilten Deutschland zu leben, die Entstehung der Solidarność- Bewegung in Polen mitzuverfolgen und zusammen mit bedeutenden mitteleuropäischen Karlspreisträgern wie Václav Havel, Bronisław Geremek und György Konrad, in Warschau, Prag, Budapest und Berlin die Befreiung mitzuerleben. In diesen inspirierenden Zeiten marschierten die Sache der Freiheit und die Sache Europas vereint, Arm in Arm: Freiheit bedeutete Europa, Europa bedeutete Freiheit. // Timothy Garton Ash

Die Auszeichnung der diesjährigen Preisträger war vom Karlspreisdirektorium erneut mutig und beachtlich. Nachdem 2016 Papst Franziskus den Karlspreis erhielt, war es nun ein britischer Wissenschaftler und Publizist. Seit Jahren einer der ersten Empfänger bei dem es keine Proteste auf dem Markt gab. Im Gegenteil: Ash betonte wie wichtig Veränderungen gerade bei den Deutschen im Sinne Europas nun sind. Er analysierte die Lage Europas nicht nur mit typischem britischen Humor, er legte auch den Finger in die Wunde.

Meine Universität in Oxford ist seit 900 Jahren eine europäische Universität. Eine Geschichte Europas, die all die eigenständigen und gemeinsamen Beiträge von Engländern, Schotten, Walisern und Iren, von Shakespeare, Adam Smith, Winston Churchill und George Orwell unerwähnt ließe, wäre wie ein Symphonieorchester ohne Streicher (oder vielleicht eher ohne die Blechbläser?). Wie ich am Tag nach dem Brexit-Votum schrieb, kann Großbritannien Europa genauso wenig verlassen wie der Piccadilly Circus London // Timothy Garton Ash

Sowohl Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp, als auch Laudator Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonten den Kampf für ein friedliches und demokratisches Europa. Selbstkritisch auch die Sichtweise. Besonders Oberbürgermeister Philipp sagte in seiner sehr gelungenen Rede einen markanten und treffenden Satz: Europa darf nicht manipulierbar werden, wir müssen zurück zur Ehrlichkeit, auch wenn das manchmal schmerzhaft ist.

Mit einem neuen, entschieden proeuropäischen französischen Präsidenten ergibt sich für Deutschland und Frankreich erneut die Gelegenheit, wie schon so oft zuvor in der Geschichte der europäischen Integration, gemeinsam voranzugehen. Diese zweite Hälfte der zweiten Chance wird aber nicht leicht sein. Deutschland steht noch immer vor dem alten Problem der „kritischen Größenordnung“ – zu klein, aber doch zu groß; zu groß, aber doch zu klein. Kluge Führung in Europa bedarf der ausgeprägten Fähigkeit, Europa immer auch mit den Augen der anderen Europäer zu sehen, sie braucht Einfühlungsvermögen. Sie braucht auch Gelassenheit, Zuversicht und Mut.  Timothy Garton Ash

Medial untergagengen

Manchmal ist es sehr schade, dass solche Verleihungen, nicht mehr Aufmerksamkeit bekommen. Ohne Frage: Es gab immer wieder umstrittene Preisträger. Doch gerade, weil nun dieser Bürgerpreis(!) wieder näher an die Bürger heranrückt, sollte er mehr Aufmerksamkeit verdienen. Die Initiatoren von Pulse of Europe, das Ehepaar Röder aus Frankfurt, wurden nach Aachen eingeladen und war Teil des Programmes. In allen drei Reden wurde auf die Notwendigkeit aber auch die Erfolgsgeschichte der pro-europäischen Bürgerbewegung eingegangen.

Heißt es nicht immer, man höre den Bürgern nicht zu? Die „Eliten“ wären nicht greifbar und in ihrer eigenen Welt? Dies ist leider Teil der Realität, doch, wenn man das Eis bricht, die Kruste aufbricht, dann ist es vielen Medien nicht mal einen Hinweis auf der Startseite am Folgetag wert. Lieber schauen wir weiter auf Trump statt auf uns selber. Deutschland hat von einem guten Tag für Europas Bürger wenig mitbekommen. Das ist schade!

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