Romanistik-wird-an-der-RWTH-Aachen-gestrichen-Interview-Petition40.375 Studenten waren zum Wintersemester 2014/2014 an der RWTH Aachen eingeschrieben. 304* davon belegen das Fach Romanistik – also Spanisch und Französisch. Zum Wintersemester 2014/15 wird es eingestellt. Im Internet wurde nun eine Petition zum Erhalt des Faches ins Leben gerufen – mein Freund und Romanistik-Student Steffen erläutert im Interview, warum Eure Stimme wichtig ist.

Vorweg: In ihrem Profil schreibt die RWTH über sich selber: »Sichtbares Zeichen dafür ist der RWTH Aachen Campus, der in enger Kooperation mit der Industrie entsteht und einen der größten Wissenschaftsparks Europas bilden wird.«. Folgt man dem Link zu den Werten stellt sich die Frage: Ist die Streichung der Romanistik mit eben diesen Vorgaben vereinbar? Auch in der RWTH Strategie 2020 findet sich das Schlagwort „Internationalisierung“ – und das will man mit dem Streichen von Sprachen erreichen?

Schaut man sich den derzeit aktuellsten Zahlenspiegel der RWTH an, so stellt man fest, dass die Romanistik nicht einmal das Fach mit den wenigsten Studenten ist. Und es sei die Frage erlaubt: Sollten Sprachen heutzutage nicht an jede Universität gehören? Ähnlich wie Sport, Kunst, Musik und Co. an jeder Schule Standard sind?

Doch kommen wir zu Steffen. Steffen studiert Französisch und Geschichte an der RWTH Aachen – wir sind seit der siebten Klasse enge Freunde. Ihm gestehe ich durchaus zu, ein paar Fragen dazu zu beantworten:

Du studierst Romanistik – was kann der Laie darunter verstehen?

Romanistik bedeutet in meinem Fall Französisch. Ich habe zu Beginn zwar auch damit geflirtet, evtl. Spanisch hinzuzunehmen, aber der Aufwand hat es seinerzeit leider nicht zugelassen. Für mich als werdenden Lehrer bedeutet Romanistik, dass ich auf der einen Seite die französische Literaturwissenschaft studiere. Auf der anderen Seite wird diese durch die französische Sprachwissenschaft komplettiert. Einen erheblichen Anteil hat dabei auch die Landeskunde, die in meinem Fall noch durch die Didaktik des Faches Französisch ergänzt wird. Letztlich lerne ich alles über die Herkunft der Sprache, ihren Werdegang sowie den aktuellen Stand. Zudem lerne ich den Umgang mit dem Französischen sowie dessen spätere Vermittlung. Um das gesamte Paket darzustellen, müsste ich jetzt wesentlich weiter ausholen.

„Internationale Elite-Universität streicht Sprachen“ – ist das nicht widersprüchlich?

In meinen Augen ist das definitiv widersprüchlich! Allerdings ist das Elitäre an der RWTH relativ klar definiert – und das nicht erst seit ein paar Tagen. Wie es bereits der Name der Universität verrät – wir sprechen hier leider von einer technischen Universität. Und das macht sich derart bemerkbar, dass beispielsweise der Fachbereich 7, auch Philosophische Fakultät genannt, einen der Bereiche darstellt, der eher stiefmütterlich behandelt wird. Es gab bereits vor geraumer Zeit Pläne, diverse Zweige innerhalb der RWTH abzuschaffen. Der Kompromiss, der daraufhin gefunden wurde, äußert sich u.a. in einer Technikverortung allen Ortes. Werdende Lehrer sind beispielsweise dazu genötigt, in allen drei Bereichen (Fachwissenschaft 1, Fachwissenschaft 2, Erziehungswissenschaft) teils erheblich aufgeblähte Technikseminare, Technikvorlesungen sowie Exkursionen zu unternehmen. Die Technik ist allgegenwärtig – fast erschlagend. Und einen wirklichen Nutzen hat niemand – zumindest sehe ich das so. Interesse bedeutet schließlich nicht gleich Nutzen.

Wie ist die Stimmung unter den Studenten dazu?

„Schockiert“ trifft es wohl ganz gut. Ich muss allerdings zugeben, dass ich die gestrige Informationsveranstaltung des Seniorats der Romanistik aufgrund wichtiger anderer Termine nicht wahrnehmen konnte. Ich würde jedoch vermuten, dass sich so schnell erstmal keine Resignation breitmachen wird. Vielmehr wird eine Chance gesucht werden, die es ermöglichen könnte, die Romanistik auf irgendeine Art und Weise zu erhalten. Ich bin mir sicher, dass „hinter den Kulissen“ schon mit Hochdruck an einer Lösung gebastelt wird.

Wie stehen die Chancen auf ein Fortbestehen?

Hierzu habe ich mich am Dienstag noch sehr lange mit einem meiner Geschichtsprofessoren unterhalten. So, wie die Romanistik aktuell aufgestellt ist, wird es ziemlich sicher keinen Fortbestand geben. Wenn ich mich nicht irre, ist erstmal lediglich gesichert, dass die Romanistik noch bis 2023 fortbestehen wird, um allen Studierenden einen Abschluss gewährleisten zu können. Zudem bestehen hierüber scheinbar Verträge und Regelungen – welcher Art auch immer.

Die Romanistik wird leider nur fortbestehen können, wenn sie umstrukturiert wird. Ich fürchte leider, dass sie in der aktuellen Form nicht mehr wiederkehren wird. Sie muss in Zukunft wieder gestärkt werden, ein starkes Profil gewinnen, sich neue Wege der Kooperation suchen.

So sind die Fachschaften aufgeteilt:

So sind die Fachschaften aufgeteilt:

Warum sollte man deiner Meinung nach der Petition seine Stimme geben?

Für die Vielfalt, für die Möglichkeit, für die Region! Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einem Dreiländereck leben. Eines der drei Länder stellt Belgien mit seiner französischen Landessprache dar. Ein erster Grund liegt also quasi auf der Hand bzw. „um die Ecke“. Zudem muss die RWTH im Zuge der Umstrukturierung erkennen, dass auch die französische Sprache einen Nutzen haben wird. Selbst, wenn sie dies nicht erkennt, muss das Angebot schlicht deshalb bestehen, um eine gewisse Vielfalt erhalten zu können. Ich möchte zwar nicht das „Karohemden-Klischee“ bemühen, aber der Anteil der von sich eingenommenen Techniker ist schon sehr groß. Darunter leidet zum einem die Frauenquote (die im Übrigen in der Romanistik extrem hoch ist), zum anderen macht sich die Dominanz der technischen Studenten „klimatisch“ bemerkbar – leider nicht in positiver Hinsicht. Letztlich muss eine Elite-Universität einfach in der Lage sein, ein breites Fächerspektrum garantieren zu können. Es darf nicht so weit kommen, dass sich der Standpunkt Aachen als reiner Technik-Standort etabliert. Sicherlich sind die Technik und alles, was in Aachen damit verbunden ist, ein Aushängeschild der Universität, der Antrieb für den Campus Melaten. Aber zu welchem Preis? Müssen werdende Romanisten in Zukunft den Weg nach Köln antreten, um dort ihr Lehramtsstudium anzutreten? Was passiert mit all den Angestellten am romanistischen Institut? Warum soll die Germanistik weiter gestärkt werden auf Kosten der Romanistik? Es gibt viele offene Fragen. Von mir gibt es lediglich die Bitte, sich für den Erhalt der Romanistik in Aachen einzusetzen – eine Unterschrift wäre ein erstes Zeichen.

Hier geht es zur Petition»

*) basierend auf dem Zahlenspiegel 2012 der RWTH Aachen. http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Die-RWTH/Profil/~enw/Daten-Fakten/


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