Griechenland ist immer eine Reise wert. Meine seit 1987 zu dem Land stetig wachsende Beziehung – die habe ich hier einmal zusammengefasst – ist ein wesentlicher Grund, dass ich mich sehr freue, dass Volt Europa in Griechenland Fuß gefasst hat. Seit 2022 ist Volt in Griechenland als Partei registriert – und so war es für mich eine Ehre, zum ersten offiziellen Parteitag eingeladen zu werden und auch dort ein paar Worte sagen zu dürfen (Siehe Video auf YouTube). Doch wie sollte es auch sein, wenn ich mal wieder in Athen bin: Beginnen wir den Tripp mit einem Generalstreik inklusive deutscher Beteiligung.  

In Deutschland war über Nacht Schnee gefallen. Eine Weichenstörung ließ eine sonst gut 50 minütige Zugfahrt von Köln zum Düsseldorfer Flughafen auf zwei Stunden anwachsen. Denn: Der Halt Flughafen fiel dann auch noch aus. Während in NRW also die Technik streikte, war es in Griechenland so ziemlich der gesamte öffentliche Sektor, darunter das Transportwesen. Hintergrund des Streiks war das schwere Zugunglück eine Woche zuvor in Tempi (dazu später mehr). Eine meiner beiden Sitznachbarinnen im Flieger hatte ein Taxi vorbestellt, in dem ich glücklicherweise mitfahren konnte. Wenn Bus und Bahn streiken, dann streiken definitiv nicht die Taxis. Somit genoss ich mit Fabian von Volt, der sich dazu gesellte, ein Abendessen und ein Bier mit Blick auf die majestätisch über Attika thronende Akropolis. 

Vorbereiten auf den Volt-Abend auf der Dachterrasse des Akropolis Museums

Ich hatte für den Tag darauf im Vorfeld eine Veranstaltung organisiert, um das Deutsche Ausbildungssystem im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit als europäisches Erfolgsmodell vorzustellen. Griechenland hat eine Jugendarbeitslosigkeit von 30% – Deutschland hat 5%. Hinzu kommt, dass der für Beschäftigte in Deutschland so gute Arbeitsmarkt die Leute aus Süd- und Osteuropa abzieht. Ein Braindrain, der aus europäischer Perspektive gefährlich ist. Wir haben als deutsche Wirtschaft mittel – und langfristig wahrlich nichts davon, wenn wir insbesondere europäische Mitgliedsstaaten schwächen, denen wir darüber hinaus Geld geliehen haben. Die Rückzahlung der an Griechenland vergebenen Kredite hängt untrennbar an einer stabilen griechischen Wirtschaft. 

Das Thema ist nicht neu, aber bei uns in Deutschland wenig aktuell. Es gibt einen Austausch mit Griechenland und sogar eine gute und in sämtliche Sprachen übersetzte Präsentation der deutschen Bundesregierung, doch das kommt, genauso wie die Jugendgarantie (mehr Infos hier), nicht bei den jungen Menschen in Griechenland an. 

Provokant gesagt: wenn akademische Eliten in Verwaltungen und Politik es nicht wollen, dann kommt es nicht an. Es ist eine Schande, dass das für die jungen Europäer*innen bereitgestellte Geld nicht abgerufen wird.

Dass sich sich die Handelskammer und die deutsche Botschaft mit großem Interesse bei mir meldeten und unsere Freund*innen von Volt Griechenland extrem Interessiert sind, welche Vorteile sie schnell übernehmen können, war dieses erste Event ein Erfolg. Es wird eine Online-Veranstaltung folgen und auch Gespräche mit der AIHK und der Botschaft geben. 

Auch freute es mich sehr, dass mit Professor Constatin Markoupoulos ein Kenner Deutschlands und Griechenlands zu Gast war. 1973 setzte er sich als Vorsitzender der Griechischen Akademiker erfolgreich dafür ein, dass die Kinder von Gastarbeiter*innen ebenfalls eine Lehre machen konnten. Ich lernte Ihn 2018 in Aachen kennen. Prof. Makropoulos studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik, ist Direktor des Institutes für angewandte Technologien, des nationalen griechischen Forschungs- und Entwicklungszentrums „Demokritos“ in Athen und Gründungsmitglied des gemeinnützigen Institut für Wissenschaft, politische Bildung und gesellschaftliche Praxis – IWiPo. Zudem war er Gründungsmitglied der griechischen Partei Pasok.

Hier kann die Präsentation des Abends angesehen werden:

Natürlich war der Abend das erste Highlight. Das zweite war der Parteitag selber am Wochenende!

Parteitag am Samstag

Hier geht es zum Youtube-Video

Im Vorfeld hatte ich die Einladung erhalten, nach Volt Europas Ko-Präsidentin Francesca Romana D’Antuono ein paar Worte zu sagen. Wer mich persönlich kennt weiß, dass das eine sehr besondere Ehre für mich war.

Dimitris, der sich bei Volt Griechenland dem Bildungsthema widmet, sagte auf dem Parteitag, dass ein Blick in die Schulen eines Landes genüge, um dessen Zustand zu erfahren. Hier war es für mich durchaus spannend zu erfahren, wie hoch der Einfluss der orthodoxen Kirche in Griechenland nicht nur auf das Bildungssystem ist. Wusstet ihr, dass beim Bau einer Mosche der lokale Priester zustimmen muss? 

„Wirf einen Blick in die Schule eines Landes – und du weißt, wie es in dem Land zugeht!“

Dimitris Sakatzis (Volt Greece)

Nicht nur Bildung war ein zentrales Element auf dem Parteitag am Samstag. Ein wichtiges Thema wurde durch den schweren Zugunfall bei Tempi in die Debatte gebracht: Infrastruktur.

25 Menschen wurden schwer verletzt, 57 Menschen starben und täglich zeigte sich die Wut und der Frust. Der Generalstreik am Tag meiner Anreise war auch am Donnerstag noch spürbar. Am Freitag protestierten die Musikschulen Athens mit einem Konzert auf dem Syntagma Platz vor dem Parlament. Auf der Bühne standen vor allem Frauen am Mikrofon, um nicht nur Musik zu machen, sondern auch klare Worte an die Parteien richteten. Während die Scheiben am Zentralsitz der griechischen Bahngesellschaft am Donnerstagmittag noch intakt waren, waren sie am Sonntag um 5 Uhr alle zerstört. 

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In Griechenland geht der breite Protest in Vandalismus der extremen Linken und Anarchisten über. Der Vergleich der Systeme ist etwas komplexer, doch sagt man in Griechenland selber, dass die Mitte fehlt. So sehe ich großes Potential für Volt in Griechenland, dessen Bevölkerung weiterhin weitestgehend europafreundlich ist. 

Zur Erinnerung: Als Syriza und damit Alexis Tsipras gewählt wurden, geschah dies vor allem aus Protest gegenüber den jahrzehntelangen Regierungen von Nea Dimokratia und Pasok. Folglich wurden die politischen Entscheidungen schnell wieder kritisiert. Eine linke Partei, die in den Verwaltungen das mitverantwortliche Personal beibehielt, konnte nicht viel bewegen. 

So gründete sich mit To Potami eine Mischung aus Protest- und Reformbewegung, die aber vor allem aufgrund ihres Gründers Stavros Theodorakis schnell größer wurde. Als der bekannte und beliebte Journalist nicht mehr zufrieden mit der Entwicklung war, löste sich die Partei auf. Eine Gruppe von Griechen gründete gerade eine neue Partei und diskutierte gerade den Namen, als sie auf Volt aufmerksam wurden. Sie luden die vor allem jungen Mitglieder von Volt ein, zu ihnen zu wechseln. Doch Volt Griechenlands Vorsitzende, Katerina Georgiou, lud diese im Gegenzug zur Mitgliedschaft bei Volt ein. Es dauerte nicht lange, da hatte Volt eine ganze Menge neuer Mitglieder und ist damit nun in Athen, Patras und Heraklion (Kreta) vertreten. 

Der Zusammenschluss zeigte sich auch bei den Wahlen zum Parteivorsitz: Mit Nicholas Fournarakis wurde ein ehemaliges To Potami-Mitglied gewählt und mit Theodora Famprikezi eine Frau von Volt. 

Volt Griechenlands neue Co-Vorsitzende: Nicholas Fournarakis und Theodora Famprikezi

Es war sehr inspirierend und wichtig, sich weiter kennenzulernen. Einige griechische Volter*innen leben teilweise oder ganz im Ausland – wie viele der Griech*innen. Die Vernetzung ist daher eines unserer Schlüsselelemente bei Volt. 

Es war nicht der letzte Besuch. Egal mit wem ich über Volt sprach: Es gab mehr als nur neugierige Reaktionen und erste sehr positive Presseberichte. 

Wenn ihr aus Griechenland stammt, oder dort Freunde und Familie habt: Hier sind die Links zu den Presseartikeln

https://www.ieidiseis.gr/politiki/189154/volt-afto-einai-to-neo-komma-arketa-stelexi-tou-proerxontai-apo-to-potami

https://www.iefimerida.gr/politiki/idrythike-neo-komma-bolt-poioi-einai-epikefalis-poso-moiazei-me-potami

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