Am heutigen Tage jährt sich zum 15ten Mal der fragwürdige Tod des Sierra-Leoners Oury Jalloh. Er kam in einer Gewahrsamszelle im Keller des Polizeirevier Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt ums Leben. Die genauen Umstände sind bis heute ungeklärt. Der Polizei in Dessau haftet daher seither der Verdacht des Rassismus an.
Gleiches betrifft die aktuelle Diskussion um den Einsatz in der Silvesternacht im 66 Kilometer entfernten Leipzig. War der Einsatz so nötig und verhältnismäßig? Die Polizei in Leipzig musste mehrfach ihre Aussagen korrigieren – die Medien und die Politik hatten aber bereits ein klares Bild gezeichnet: Unsere Polizei wurde angegriffen. Von Mordversuch ist die Rede. Doch all dies wurde weitestgehend zurückgenommen.
Ich selber bin mit dem Satz „Die Polizei dein Freund und Helfer“ groß geworden. Mein Vater arbeitete in einem kleinen Rathaus bei Aachen. Im Büro nebendran war ein kleines Polizeibüro. Die Türen waren immer auf. Die Polizisten patrouillierten durch die Straßen. Man würde eher von „spazieren“ sprechen. Präsenz zeigen. Vertrauen schaffen. Fragen beantworten. Ich habe einige Freunde und Bekannte die bei der Polizei arbeiten. Ich bin wahrlich kein Linker oder gar autonomer Aktivist. Mich stört selber, wie oft Polizisten als „Bullen sind Schweine“ begrüßt werden, wenn sie eine Kundgebung aus dem linken Spektrum sichern. Dies ist einer der Hauptgründe warum ich als Antifaschist selten auf Kundgebungen gegen Nazis bin.
Erfahrungen mit fragwürdiger und willkürlicher Polizeigewalt hatte ich im Fandaseins des Fußballs. Ich war im Vorstand der Interessengemeinschaft der Alemannia-fans und Fanclubs (Fan IG) e.V. und habe dort mehrere dokumentierte Beispiele. Selbst die Berichte von Polizisten sorgten nicht dafür dass Ermittlungen erfolgten. Verfahren alle eingestellt. (Dies weiter auszuführen ist hier zu viel.)
So wie bei Jalloh. So wie nun in Leipzig. Wird im Sinne der Polizei denn nicht mehr gegen die Polizei mehr als nur ermittelt? Innenminister Horst Seehofer forderte zu Beginn des Jahres „geschlossen hinter unseren Polizeibeamten” zu stehen, die sich “jeden Tag aufs Neue für unsere Sicherheit einsetzen“. Ja gerne, allerdings bitte dann wenn die nachweislichen Eskalationen der Polizei auch dort Konsequenzen haben!
Wie kann man sich geschlossen hinter eine Polizei stellen, die hinter jedem progressiven Menschen einen linken Autonomen vermutet? Wie kann man sich hinter eine Polizei stellen, deren Gewerkschaften die notwendige Aufklärung im Sinne der Polizei totschweigt?
Sich vor oder hinter die Polizei zu stellen bedeutet, dass schwarze Schaffe erkannt und isoliert werden. Ich glaube an den Rechtsstaat und unsere Polizei – doch Vertrauen schaffen die immer wieder aufkommenden Skandale nicht – vor allem nicht wenn im Apparat geschwiegen wird und der berüchtigte Korpsgeist Verbrechen deckt. Leidtragende sind schließlich auch Polizisten wie in Leipzig, die verletzt werden. Der verletzte Polizist ist ein Opfer von Gewalt. Einer Gewalt die zu verurteilen ist.
Wäre es nicht gerade im Sinne des verletzten Polizisten und aller anderen Polizistinnen und Polizisten, die im Dienst angegriffen werden, dass es eine Aufklärung gibt?
In NRW hatten wir 2019 den Skandal, dass die Polizei als Erfüllungsgehilfe für RWE -Konzerninteressen in den Hambacher Forst geschickt wurde. Die Rechtsgrundlage war konstruiert damit man gegen “die Aktivisten im Wald” vorgehen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich zustimmen, dass auch Spinner*innen darunter sind und aggressive Menschen – doch habe ich auch unverschämte, provokante Polizei erlebt als alles friedlich und entspannt war.
Ich stimme der These zu, dass es Einsätze gibt die bewusst ein Pulverfass zur Explosion bringen sollen. Sei es im Fußball oder im Hambacher Forst. Ob es an Silvester so war oder bei Oury Jalloh – derartige Fälle soll bitte eine Untersuchungskommission, wenn nicht gar gesonderte Behörde – ermitteln. Ist das zu viel verlangt? Ich hoffe doch nicht!
1 Kommentar
Klaus D. Lubjuhn · 10. Januar 2020 um 11:00
Mein Problem mit diesem Beitrag:
Wer kennt die genauen Umstände?
Was ist ein progressiver Mensch?
Fazit:
Geht’s hier um Vorverurteilung?