Eine Woche abschalten. Eine Woche wandern und es sich gut gehen lassen. Eine Woche in den österreichischen Alpen im schönen Leogang. Einem Ort, in dem 30% den rechtspopulistischen Norbert Hofer gewählt haben. Das interessierte mich.

Man merkt gar nicht, wenn man mit dem Zug die Grenze überquert. “Plötzlich” ist man in Österreich und tief in den Alpen. Eine traumhafte Gegend im Salzburger Land. 4.291 Menschen leben hier, darunter 450 Deutsche. Bei einer der schönen Winterwanderungen durch den Schnee denke ich an die Angelobung (Amtseinführung) von der Bellens, dem neuen Bundespräsidenten Österreichs. “Wie hat man hier wohl gewählt?”, denke ich und schaue nach. Knapp 30% haben in der Gemeinde für den rechtspopulistischen Hofer gestimmt. Für einen Kandidaten, der Österreich gerne aus der EU geführt hätte. 30% in einer Gegend, die vom Tourismus sehr gut lebt. Das hat mich erstaunt – und ich habe mich im Ort mal umgehört und auch ein paar Fakten gesammelt.

Ausländerfeindlichkeit? 

22 der 4.291 Einwohner sind Muslime. Derzeit leben laut Gemeindeamt 4 Flüchtlinge hier, in der Spitze waren es 22. 

Neid? 

Alleine der Tourismus sorgt für gute Jobs. Die nahegelegenen Bergbahnen und deren Umfeld bieten 1.250€ netto, plus freie Wohnung und Verpflegung. Im Sommer zieht es Wanderer und Mountainbiker in die Gegend. 

Wer hier im Winter gut arbeitet, lebt im Sommer entspannt. Viele der Jobs machen Ungarn und Slowaken. Dies verraten die Statistik der Gemeinde und die Kennzeichen vor dem Wohnheim. Der hölzerne Bau wirkt zunächst wie ein schickes Hotel. Arbeitslos ist hier in der Region nur, wer nicht arbeiten will. Im Gegenteil: man sucht Arbeitskräfte. 

Dies sagen hier alle, die ich gefragt habe. Namentlich will man sich aber nicht hier lesen. Man kennt sich im Dorf, hält zusammen und weiß, wie gut es allen im Grunde geht. Ob jüngere oder ältere Generation, man ist für ein offenes Europa. 


Franz Riedlsperger, Inhaber des örtlichen Ski-Verleihs, stimmt zu, dass ich ihn zitieren darf. “Alleine 10% Rückgang im Tourismus wären eine Katastrophe!”, meint er. Alleine 34 verschiedene Nationen hatte er über Weihnachten im Laden, den er von Weihnachten bis Ostern geöffnet hat. Aus der ganzen Welt kommen Sie. Neuseeland und Australien ist längst nicht mehr exotisch. 

In der Wirthausstube des seit 1326 existierenden Kirchenwirts bestätigt es sich. 50% der Tische sind von englischsprachigen Gästen belegt. Von einem der Tische bekommen wir mit, dass es Australier sind. Der Betreiber kommt und begrüßt jeden Gast. Der Mann packt beim Betrieb und der Instandhaltung auch selber mit an. Zwei Tage zuvor stand er in einer Jacke von 1899 Hoffenheim in unserer Ferienwohnung zur Reparatur der Gardine. Die hat er an, weil neben RB Leipzig die Hoffenheimer im Sommer ins Trainingslager kommen.  

Schwache Mitte, keine Alternativen. 

Der Tenor meiner Gesprächspartner: Man wählte also nicht pro Hofer, sondern gegen van der Bellen. Leider würden einige nicht weiter denken, was dies für ein Signal auslöst. 
Also doch nur kurzsichtige Protestwähler?

Zunächst hilft ein Blick auf die Wahl. Lediglich 2.416 der 4.291 gemeldeten Menschen ist überhaupt wahlberechtigt. Gut 74% (1.587) gingen wählen, 1.500 gültige Stimmen gab es am Ende – von denen 460 auf Hofer fielen. Es kann wohl nicht die Rede von einem “braunen Dorf” sein. Ein Leoganger unkt gar: “Hier leben ja um die 500 Deutsche. Nicht, dass die es waren!”

Fazit: 

Aus Protest die Rechspopulisten zu wählen ist generell kurzsichtig und kann sogar mehr schaden als helfen. Auch in Österreich braucht die politische Mitte wohl wieder Vertrauen. Das ist keine neue Info – aber der eigene Eindruck kann ja nicht schaden. 


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