Europa 2025 – Kontrollverlust durch Kontrolle

grafische Karte von Teilen Deutschlands und Polen. Die Grenze zwischen ist als rote Linie hervorgehoben

Es ist wieder so weit: Die Grenzbalken knarren, als wolle man die Vergangenheit nicht nur zitieren, sondern gleich reanimieren. In einem symbolträchtigen Manöver, das weniger mit tatsächlicher Sicherheit als mit politischer Selbstberuhigung zu tun hat, werden in Europa weitere Binnengrenzen kontrolliert. Als wäre das Schengener Abkommen eine nette Idee aus besseren Tagen – oder ein lästiges Relikt, das man wie ein altes Faxgerät im Bundesarchiv vergammeln lassen kann.

Angeführt von Innenminister Dobrindt (CSU)– der anscheinend weder vor höchstrichterlichen Urteilen noch vor europarechtlichen Grundsätzen haltmacht – setzt Deutschland auf populistischen Aktionismus.

Der Preis? Diplomatische Spannungen mit Polen, einem der zentralen Partner Europas. Aber geschenkt, wenn’s um Schlagzeilen geht. Schließlich lassen sich an einem Grenzübergang leichter Kamerateams aufbauen als in den Untiefen europäischer Verhandlungsräume.

Was hier als “Schutzmaßnahme” verkauft wird, ist in Wahrheit ein Offenbarungseid: Das Eingeständnis, dass man lieber Mauern im Inland errichtet als Strukturen an den Außengrenzen stärkt. Es geht nicht um Ordnung, sondern um Optik. Um die Illusion von Handlungsfähigkeit, während reale politische Gestaltung an Kräfte wie Frontex oder gemeinsame EU-Asylverfahren ausgelagert oder gleich ganz ausgesessen wird.

Und während man also Millionen in die Wiederbelebung von Grenzposten steckt, bleibt der Aufschrei überschaubar. Vielleicht, weil sich der Zorn gerade auf ein Spielplatzschild in Köln richtet oder auf andere Nebelkerzen, die sich leichter empören lassen als die Missachtung von Grundrechten und internationalen Vereinbarungen. Die Empörungsökonomie funktioniert eben nach anderen Algorithmen.

Dabei wäre jetzt der Moment, sich ehrlich zu machen: Wer glaubt, den Rechten Stimmen abjagen zu können, indem man ihre Politik kopiert, hat entweder ihr Programm nicht verstanden – oder schlimmer noch: es doch verstanden. Denn wenn selbst konservative Akteure bereit sind, rechtsstaatliche Prinzipien zu opfern, um mit populistischen Narrativen auf Stimmenfang zu gehen, dann wird das Spielfeld nicht kleiner, sondern weiter.

Und die Rechtsextremen? Lehnen sich zurück und sitzen selber einen neuen millionenschweren Korruptionsskandal aus. Unternehmen, Vereine und Initiativen wohl auch ein AfD-Lokalpolitiker profitierten von Geldern.

„Der wahrscheinliche Diebstahl von Steuergeldern durch AfD und Co. ist eine Sauerei. Sie stellen sich als Saubermänner dar, aber schaufeln sich hinter den Kulissen die eigenen Taschen voll. […] Im Kern versuchen hier moralbefreite Individuen, alles dafür zu tun, sich gegenseitig Geld und Macht zu sichern. Widerlich.“

Damian Boeselager, Volt-Abgeordneter im EU-Parlament

Es wäre ein guter Zeitpunkt, sich zu fragen: Wollen wir wirklich ein Europa der Schlagbäume, Symboldebatten und verpassten Chancen – oder doch eines, das seine Kraft aus Rechtsstaatlichkeit, Partnerschaft und gemeinsamen Lösungen schöpft? Wer auf Kontrolle als Ersatz für Strategie setzt, sollte sich zumindest ehrlich machen: Das ist kein Kurs der Sicherheit, sondern einer der politischen Bankrotterklärung.

Und der Shitstorm? Der kommt dann halt wieder, wenn eine Stadt mit Jugendlichen ein neues Spielplatzschild entwirft.

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