
Persönlicher Kommentar. Am 9. Juni 2025 stoppte die israelische Armee das unter britischer Flagge fahrende Segelschiff „Madleen“, das mit einer sehr kleinen Menge Hilfsgüter Kurs auf den Gazastreifen genommen hatte. An Bord: prominente Aktivist:innen wie Greta Thunberg und EU-Abgeordneter Rima Hassan (LINKE / Frankreich), organisiert von der Freedom Flotilla Coalition. Laut Berichten wurde das Schiff in internationalen Gewässern von israelischen Marinekräften geentert.
Diese Aktion steht – einmal mehr – exemplarisch für die verfahrene Lage im Nahostkonflikt. Und sie zeigt, wie sehr sich Symbolpolitik, völkerrechtliche Grauzonen und menschliches Leid ineinander verhaken.
Ich persönlich empfinde die Mission der Aktivist:innen als in erster Linie symbolisch. Mutig und friedlich – doch die mediale Aufmerksamkeit lag erwartbar auf der Besatzung des Schiffs – nicht auf denjenigen, denen die Aktion eigentlich gewidmet war: den Menschen in Palästina und Israel. Besonders zynisch wirkt das, wenn man bedenkt, dass die Zivilbevölkerung dort weiterhin leidet, Kinder sterben, medizinische Versorgung zusammenbricht. Und zugleich: Die Hamas hält noch immer Geiseln fest – ein brutales Nachspiel des 7. Oktober 2023, das nicht ausgeblendet werden darf.
Noch immer befinden sich 56 Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas. Israel geht derzeit von mindestens 20 Lebenden aus. Bei drei weiteren sei unklar, ob sie noch am Leben sind. Zudem befänden sich die sterblichen Überreste von 33 Verschleppten noch im Gazastreifen.
tagesschau (05.06.2025 10:42 Uhr)
Dabei will ich den Blick differenziert halten. Ich bin nicht unmittelbar betroffen und schreibe aus einer beobachtenden, distanzierten Perspektive. Dennoch ist für mich klar: Die deutsche Unterstützung für den Staat Israel ist – historisch wie politisch – berechtigt und notwendig. Doch gleichzeitig steht die aktuelle israelische Regierung nicht für Vertrauen oder Deeskalation. Viele ihrer Handlungen sind wohl rechtlich fragwürdig und humanitär nicht vertretbar. Hunger und Durst als Maßnahme in einem Krieg einzusetzen ist
Zugleich bleibt der Angriff der Hamas vom 07.10.2023 ein zentraler Auslöser der Eskalation. 1.182 Tote und 250 entführte Geiseln sind Teil einer Realität, die nicht ignoriert werden darf. Dennoch: Die palästinensische Zivilbevölkerung leidet massiv – besonders Kinder sind betroffen und vollkommen machtlos. Auf beiden Seiten dominieren derzeit Hardliner:innen das Geschehen – mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung, die weder Schuld noch Einfluss auf das große Ganze hat.
Die Verwendung von Hunger als Kriegswaffe ist explizit in mehreren internationalen Abkommen und Dokumenten verboten:
- Zweites Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen von 1977: Artikel 14 untersagt das Angreifen, Zerstören, Entfernen oder Unbrauchbarmachen von für die Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Objekten, einschließlich Nahrungsmitteln und Trinkwasser35.
- Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH): Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b (xxv) definiert das vorsätzliche Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegführung durch das Vorenthalten lebensnotwendiger Gegenstände ausdrücklich als Kriegsverbrechen1.
- UN-Sicherheitsratsresolution 2417 (2018): Verurteilt explizit den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe und die systematische Verweigerung humanitärer Hilfe in Konfliktgebieten124.
In diesem Licht betrachtet hat die „Madleen“-Mission mehr abgelenkt als geholfen. Sie bot eine Bühne, aber keine Brücke. Und wenn das Schiff tatsächlich – wie berichtet – noch in internationalen Gewässern war, dann hat Israel mit dem Entern internationales Seerecht verletzt. Auch das gehört zur ehrlichen Betrachtung.
Die Lage bleibt festgefahren. Und solange beide Seiten auf Eskalation und Inszenierung setzen, bleiben echte Lösungen in weiter Ferne. Symbolische Fahrten wie jene der „Madleen“ können Aufmerksamkeit schaffen – aber nicht Frieden. Was es bräuchte, ist ein realistischer, humanitärer Kurswechsel. Auf beiden Seiten.
0 Kommentare